Five By Two / VÖ: 20. September 2024 / Emo, Shoegaze, Alternative
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Text: Michael Messerli
Die Zahl junger Menschen mit psychischen Problemen nimmt unter uns zu. Warum das so ist, darüber lässt sich breit diskutieren. Aber viele der möglichen Gründe überraschen kaum. Und nein, die plausiblen haben nicht mit den jungen Menschen selbst zu tun. Denn sie durchlaufen ja schliesslich eine Sozialisierung. Die (vermeintlich) Erwachsenen geben sich trotzdem grosse Mühe, junge Menschen in «Generationen» abzulegen, den Schubladen entsprechende Namensschildchen zu verpassen und in Kursen darüber zu fabulieren, wie man mit diesen jungen Menschen umgehen soll. Man könnte sie natürlich auch einfach fragen, direkt mit ihnen sprechen, sie ernst nehmen. Denn so erstaunlich muss das gar nicht sein, was junge Menschen bereits in Teenagerjahren zustande bringen. Gleichwohl ist es spannend, sich die Frage zu stellen, was man mit 16 selbst so gemacht hat, während andere in diesem Alter beispielsweise beachtliche Songs schreiben. Es gibt fürs Erwachsensein keine Altersgrenze und mit dem Alter auch keine Garantie dafür, dass man es ist.
Circus Trees sind drei Schwestern aus Marlborough, Massachusetts und sie waren 14, 16 und 18 Jahre alt, als sie 2020 ihr tolles Debüt «Delusions» veröffentlichten. «Three sisters, sad music», steht auf ihrer Facebook-Seite. Vier Jahre später kommt nun der selbstproduzierte und schwermütige Nachfolger, auf den Promobildern sieht man nur noch zwei der drei Schwestern, in den Credits werden aber immer noch alle drei genannt. Die Infos sind leider rar und so dürfen die Songs für sich sprechen. Songs von Menschen, denen es zumindest in deren Textzeilen nicht so gut zu gehen scheint. Der Albumtitel gibt denn auch die Route vor, marschiert wird hier jedoch nie. Circus Trees schleppen sich durch ihre Songs. Zäh wird ihre Spielart von Slowcore – oder: Sadcore – aber eigentlich selten. «This Makes Me Sad, And I Miss You» ist melancholisch, ruhig und langsam.
Es macht ja auch Sinn, gut zu schauen, wo man hintritt. Falltüren gibt es genug. Und «Trap Door» ist tatsächlich ein besonders eindringlicher Moment, der mit dem Thema Selbstverletzung sprichwörtlich unter die Haut geht. Das alles wurzelt in den 90ern, wächst manchmal absichtlich ungerade und kennt auch kleine Störmanöver. «This Makes Me Sad, And I Miss You» ist keinesfalls rückwärtsgewandt, dafür stehen Giuliana, Finola und Edmee McCarthy zu sehr mitten im Leben. Aber Fans von Thrice oder Julien Baker kommen hier auf ihre Kosten. Die Suche nach einem einzigen passenden Genre bleibt dennoch ergebnislos. Natürlich könnte man jetzt schreiben, die Band gebe einer psychisch angeschlagenen Jugend eine Stimme. Aber mit dieser Familienproduktion (das Label gehört dem Vater) geben sich die drei Schwestern vorwiegend selber eine. Introspektion – ohne grosse PR, ohne grosses Anbiedern. Frei von allen Zwängen – ausser von denen, die einem das Leben selbst auferlegt.