Werkk – Baden
Samstag, 11. Mai 2024
Text: David Spring
Gelegentlich finden Konzerttouren statt, die schon weit im Voraus dermassen viele Glückshormone ausschütten, dass man sich vor Vorfreude kaum halten kann. Und wenn dann am Abend des Geschehens einfach alles stimmt und man zwei grossartige Bands in absoluter Höchstform erleben darf, gibt es kaum etwas Schöneres. Genauso war es, als vergangenen Samstag die legendären Clowns zusammen mit den fantastischen March im schönen Werkk in Baden aufspielten und alles abrissen.
Den Auftakt machten March aus Belgien und den Niederlanden. Die Band um Frontfrau und Chefschreihälsin Fleur van Zuilen spielte vor nicht allzu langer Zeit ihre allererste Schweiz-Show in Bern, umso toller also, die gutgelaunte Truppe so bald wiedersehen zu dürfen. Mit «All On Red» und «Tell Your Kids We’ll Be Alright» ging es furios los. Wie immer brauchte das Publikum einen Moment, um aufzutauen, aber spätestens das brachiale «Born A Snake» weckte auch die letzte Reihe auf. Von da an gab es kein Halten mehr. Fleurs unglaubliche Reibeisenstimme war erneut faszinierend, denn was die stets fröhlich grinsende Frontfrau ihren Stimmbändern jeden Abend abverlangt, ist beachtlich.
Ebenfalls eine Freude ist es, der wilden Gitarristin Hermance van Dijk zuzuschauen. Wie sie ein grossartiges Punk’n’Roll-Riff nach dem andern abfeuert, wie ein Derwisch über die Bühne fegt und dann gelegentlich auch noch astreine Solos hinbrettert, ist fantastisch. Mit der energiegeladenen Rhythmusfraktionen um Jeroen Meeus am Bass und Thomas Frankhuijzen am Schlagzeug ergibt das eine unglaublich explosive und geniale Mischung. Fleur bot uns immer mal wieder witzige Ansagen, zum Beispiel wurden wir nach Tips für den Band-Besuch im Europapark am nächsten Tag ausgefragt. Doch viel Zeit für Gelabere blieb nicht, wichtiger war, ordentlich Gas zu geben. Und so lieferten March einmal mehr ein absolut fantastisches Konzert ab und bewiesen sich erneut als eine der aktuell besten Bands. Als zum abschliessenden «Reaper’s Delight» angesetzt wurde, war die Stimmung im Werkk so aufgeheizt, dass sogar ein mutiger Crowdsurfer gesichtet werden konnte. March sind eine absolute Macht, das nächste Mal kann nicht schnell genug kommen.
Damit war es aber Zeit für den Headliner. Vor allem Lärm gilt es erstmal festzuhalten, dass es wohl kaum eine besser aussehende Band gibt als Clowns: Gitarrist Jarrod Goon mit seinem ultrasexy Vokuhila, Bassistin Shauna Ceratops, die im epischen Mike Krol Shirt für Hauptbasserin Hanny Tilbrook einsprang, und natürlich Sänger/Rampensau Stevie Williams, der in seinen Hotpants und Netzhemd alle andern in den Schatten stellte. Mit «Formaldehyde» und dem fantastischen «Scared To Die» gab es gleich richtig was auf die Ohren. Clowns bewiesen schnell, dass hier keine halben Sachen gemacht würden und gingen mit 200% Power und, in Stevies Fall, vollem Körpereinsatz zur Sache. Die furiosen Songs, gepaart mit der ansteckend unbändigen Energie brachte die Meute im Werkk augenblicklich in Bewegung. Stevie sprang umgehend mitten in die Leute, streckte der ersten Reihe das Mikro ins Gesicht und forderte nicht weniger als die ultimative Verausgabung aller.
Unfassbar, was für eine Stimmung die Band innert kürzester Zeit kreierte. Heftig brachiale Hits wie «Death Wish» oder das rasant-punkige «Bad Blood/These Veins» verlangten uns alles ab. Was für eine Party. Zur Begrüssung meinte der wilde Frontmann dann gleich, dass es ihnen egal sei, wie viel Durchfall sie dank schlechtem Flugzeugfrass auf der Reise nach Europa erleiden mussten, heute werde alles gegeben. Gesagt, getan und es folgte ein Hit nach dem anderen! Für das wundervoll aggressive «I Got A Knife», auf welchem Cecilia Boström von The Baboon Show auf Platte ein Stelldichein gibt, wurde logischerweise Fleur zurück auf die Bühne zitiert. Zusammen mit Stevie zeigte sie sich in diesem durchgeknallten Hit von ihrer besonders lauten Seite. Diese zwei Frontmenschen zusammen auf einer Bühne zu erleben, war ein ganz besonderes Pläsier, erst recht, als die zwei dann gleich auch noch «Enough’s Enough» in die Menge brüllten. Und was ebenfalls nicht fehlen durfte und entsprechend heftig gefeiert wurde, war die grandiose Queer-Hymne «Bisexual Awakening», einer der vielleicht wichtigsten Clowns-Songs überhaupt.
Es war eine Punkrock-Show, die neue Massstäbe setzen wird. Doch alle guten Dinge müssen irgendwann zu Ende gehen. Auf langweiliges Vonderbühnegehen und dergleichen verzichteten die Aussies, Zugaben wären nach dieser kräftezerrenden Show ohnehin zu viel des Guten gewesen. So gab es mit «Z3r0s&0n3s» und dem glorreichen «Never Enough» zwei abschliessende Knaller, die uns das letzte bisschen Energie raubten. So gekonnt und erbarmungslos wurde ein Konzertsaal lange nicht mehr durchgerockt. Clowns sind unbestreitbar eine der faszinierendsten und intensivsten Bands, die man sich derzeit gönnen kann, und zusammen mit March, die ebenfalls unvergleichlich abräumten und gewaltig Spass machten, war es ein Konzertabend, der so schnell nicht vergessen gehen wird.
Zu guter Letzt machen wir nun noch einen Abstecher von Baden auf Malmö, denn kurz nachdem die Show im Werkk vorbei war, durfte die Schweiz einen Sieg am ESC einheimsen. Obwohl es musikalisch nicht wirklich hierhin passt, wollen natürlich auch wir einen riesigen Glückwunsch an Nemo aussprechen – they bescherte nicht nur unserem kleinen Land einen beachtlichen, musikalischen Sieg, sondern vor allem sämtlichen non-binären Menschen überall auf der Welt! Nemo, wir gratulieren von ganzem Herzen!
Setlist March [Quelle: Setlist.fm]
- All On Red
- Tell Your Kids We’ll Be Alright
- Born A Snake
- Head Shears
- Heart Undressed
- On High Heat
- Such A Drag
- Nerd
- Rise
- Vultures
- Second To Destroy
- Sometimes
- Reaper’s Delight
Setlist Clowns [Quelle: Setlist.fm]
- Formaldehyde
- Scared To Die
- Euthanise Me
- Death Wish
- Pickle
- Bad Blood / These Veins
- Destroy The Evidence
- Bisexual Awakening
- I Got A Knife
- Enough’s Enough
- Bland Is The New Black
- 1:19
- Human Error
- Dead In The Suburbs
- Figure It Out
- Play Dead
- Z3r0s&0n3s
- Never Enough