Montag, 25. März 2024
Jojo Mayer (Drums)
Jojo Mayer / Facebook / Spotify
Gespräch: Alain Schenk + Markus Reber
Markus und ich sitzen im Auto auf dem Weg von Bern nach Zürich. Wir sassen schon oft gemeinsam im Auto, im Bus oder im Zug. Meistens auf dem Weg an ein Konzert. Es ist die Musik die uns verbindet. Wir spielen nun schon seit fast zwanzig Jahren in einer Band, oder zumindest in einem Kollektiv. Markus spielt Schlagzeug und ich Gitarre. Unzählige Stunden haben wir uns dabei über Musik unterhalten. Über Bands, über die Aufnahmen, die Konzerte, die Locations, das Publikum, die Szene und natürlich auch immer mal wieder über diese ganz besonderen Künstler.
Als ich von der Gelegenheit erfuhr, mit Jojo Mayer für ARTNOIR ein Interview führen zu können, reagierte ich intuitiv und eins führte zum anderen. In diesen knapp zwanzig Jahren in denen Markus und ich über Musik philosophierten, fand Jojo Mayer immer wieder einen Platz in unseren Gesprächen. Wenn man sich die YouTube-Videos von Jojo Mayer und seiner Band NERVE anschaut, bleibt man als Musikliebhaber sprachlos, elektrisiert und mit offenem Mund zugleich vor dem Bildschirm kleben. Oft fällt es einem schwer zu glauben, dass hier ein Mensch und nicht eine Maschine hinter dem Schlagzeug sitzt.
Was aber, wenn nun diese Grenze zwischen Maschine und Mensch zu verschmelzen scheint? Am 5. April 2024 steht Jojo Mayer mit seinem Programm ME/MACHINE im Bierhübeli – Bern auf der Bühne. Aber wie soll das alles funktionieren? Was erwartet uns an diesem Abend und was hat Künstliche Intelligenz mit all dem zu tun?
ARTNOIR: Jojo, man kann dich bald mit deinem neuen Projekt ME/MACHINE live auf der Bühne sehen. Was verbirgt sich hinter diesem Projekt?
Jojo: Ich habe vor der Pandemie im Jahr 2019 mit Brian Eno in London experimentelle Aufnahmen gemacht. Damals bin ich zum ersten Mal so richtig mit generativer Technik und KI in der Musik in Berührung gekommen. Eno hat mich an seinem System angeschlossen und das hat mich beeindruckt. Ich dachte mir damals, wenn ich ein Jahr Zeit hätte, würde ich mich da voll rein hängen. Ein paar Monate später brach die Pandemie aus und alle Tourneen wurden abgesagt. Das war für mich der Startschuss. Ich holte mir ein paar Leute dazu, die mir mit der Programmiersprache geholfen haben. Wir haben uns während zwei Jahren ein generatives System zusammengebaut. Das muss man sich so vorstellen, es ist ein generatives System, welches den Input meines Schlagzeugspiel interpretieren kann. Dass heisst, der Computer hört mir zu und generiert eine Mutation von dem was ich mache. Auf diese nehme ich als Schlagzeuger wiederum Bezug, fast als würde ich mit einem anderen Menschen zusammen spielen. Daraus entsteht eine Art geschlossener Loop, im besten Fall ergibt sich ein Kreislauf. Wenn alles gut läuft, fühlt es sich für mich ein bisschen so an, als könnte die Maschine meine Gedanken lesen. Technisch gesehen wird mein Signal durch verschiedene Parameter wie Lautstärke, Dynamik, Dichte oder auch Phrasierung entschlüsselt.
Kannst du das noch irgendwie verdeutlichen?
Es verhält sich ein bisschen wie ein Kartenspiel. Es gibt hunderte von Kartenspielen mit verschiedenen Regeln aber es sind am Schluss immer 52 Karten. Beim Poker kennst du beispielsweise alle Karten, aber du bekommst irgendwelche Karten zugespielt und wenn du Glück hast, ist das ein gutes Blatt. Wenn ich also am Schlagzeug spiele und der Computer schickt mir ein gutes „Blatt“, dann ist das super und läuft richtig rund. Ich kann vom Computer aber auch schlechte Karten bekommen und mit meiner menschlichen Intelligenz probieren, damit möglichst sinnvoll umzugehen. Oft ist es das Unvorhergesehene, dass es spannend macht und neue Ideen provoziert. Darum habe ich keine Angst davor und lasse mich gerne darauf ein.
Haben auch schon andere Musiker auf diesem Maschinen System gespielt?
Im Moment ist mein System halt auf das Schlagzeug kalibriert, aber ja, ich habe schon befreundete Schlagzeuger darauf spielen lassen und da kamen natürlich andere Sachen bei raus, als bei mir. Zum Teil brachte mich dies aber auch auf Ideen, weil ich mir dachte, dass ich in gewissen Situationen anders reagiert hätte.
Wo kommt da die künstliche Intelligenz ins Spiel?
Die KI brauche ich nur beim Training der Interfaces mit der Art meines Spiels oder für das Sounddesign.
Macht dir die künstliche Intelligenz eher Angst oder gibt sie dir Hoffnung? Nicht unbedingt als Musiker, sondern eher im Alltag.
Ich schaue da eher kritisch darauf. Ich glaube da nicht an eine einfache Lösung per se. Ich habe an einem KI Kongress an der UNO in Genf eine Präsentation veranstaltet. Da gab es Leute, die heute schon wirklich gute Sachen machen wie Projekte mit Wasserversorgung in der dritten Welt und verschiedenen Projekten dergleichen. Aber es gibt eben auch das Gegenteil. Crazy Leute, die irgendwie so esoterisch daran glauben, dass Gott in Form einer KI die Welt betritt. Wir brauchen unbedingt Regulierungen.
Arbeitest du auch mit Loops oder Overdubs?
Ist ja eigentlich gar nicht mehr nötig. Das sind alles Technologien aus dem vergangen Jahrhundert (lacht). Das was ich jetzt habe, ist ja komplett etwas anderes. Ich habe einen backing-track der sich verändert, je nach dem, was ich spiele. Dieser backing-track hört zudem auf mit spielen, wenn ich das tue. Ich muss spielen, damit er das auch tut.
Denkst du, andere Schlagzeuger haben Vorbehalte gegenüber drum machines und elektronischen Tools? Das sie beispielsweise dadurch ersetzt werden könnten?
Diese Vorbehalte habe ich nicht. Grundsätzlich funktioniert alles wo du draufschlagen kannst als Schlagzeug. Du kannst mit einem Kugelschreiber auf den Tisch tippen und es ergibt sich ein Schlagzeug daraus. Es geht ja um Kreativität.
Wie wird das Live aussehen? Wirst du dem Publikum kurz erklären was jetzt passieren wird?
Ja genau, ich werde dem Publikum zu Beginn ein paar Minuten erklären, um was es überhaupt geht. Es macht mehr Spass, wenn man versteht um was es geht. Du hörst anders zu. Ich muss das im Moment so machen und zwar aus einem einfachen Grund, die Leute kennen das noch nicht. Ich denke aber, dass sich dieses Konzept etablieren könnte. Ich bin nicht der Einzige, der sich damit beschäftigt aber vielleicht einer der ersten, der das jetzt so präsentieren kann.
Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns sehr auf das Konzert am 5. April 2024 im Bierhübeli – Bern.
Bild: Imre Barta (zVg)