Datum: 9. Juli 2012
Ort: Letzigrund Stadion – Zürich
Bands: Bruce Springsteen
Bruce Springsteen in Zürich, meiner Heimatstadt! 🙂
Aus dem Letzigrund Stadion dringen die Klänge des Soundchecks und ich erkenne „My Hometown“. Auf meiner Hand steht die Nummer 57 was bedeutet, dass ich, wenn alles klappt, es ganz nach vorne an die Bühne schaffen kann. Ich stehe also gut 3 Stunden früher als offizieller Konzertbeginn vor dem Letzigrund mit rund 400 Extrem- oder Hardcore-Fans, wie wir genannt werden. Schlussendlich sind wir aber einfach Tramps, die das Prozedere mit den Nummern und ca. vierstündlichen Rollcalls seit Sonntagvormittag kennen. Das wird mein letztes Konzert dieser Tour, und ich stehe eine Stunde später tatsächlich in der ersten Reihe.
Bruce und die E Street Band beginnen mit 20 Minuten Verspätung direkt mit der ersten Tourpremiere des Abends: „Don’t Look Back“, ein nicht ganz so bekannter Song aus dem Album „Tracks“. Springt der Funke trotzdem bis nach hinten? Keine Ahnung, denn um uns herum wird getobt. Als dann als zweiter Song „Badlands“ angespielt wird bin ich sicher, dass wir nicht die einzigen sind welche hüpfen und lautstark mitsingen.
Springsteen scheint bester Laune. Er sucht das Publikum, läuft hin und her, schüttelt Hände, wehrt sich zuerst noch gegen einen sich anhänglichen Fan und lässt sich dann doch den Kuss auf die Wange geben und lacht. Bald schon wird die auf 15 Köpfe angewachsene Band vorgestellt. Einige Mitglieder sind schon seit den 70er Jahren mit Springsteen unterwegs, andere sind neu dazugekommen.
„Where’s my redhead? Is there any redhead in the house?“ Springsteen sucht seine Frau Patty Scialfa und erklärt dann grinsend, sie sei wieder zu Hause bei den Kindern, nachdem sie an den beiden Paris-Shows mit dabei war. Und dann fehlen doch noch zwei… „Is there anybody else missin? Who’s missing?“ fragt er immer wieder – und wir antworten: Danny Federici, seit den 70ern mit Bruce unterwegs, 2008 an Hautkrebs gestorben und natürlich Clarence Big Man Clemons, sein ehemaliger Saxophonist und guter Freund, von Anfang an Mitglied der E Street Band, der vor einem Jahr nach einem Schlaganfall gestorben ist.
Heute steht sein Neffe Jake Clemons an seiner Stelle und scheint sich prächtig mit seinem neuen Boss zu verstehen. Es entsteht etwas Neues in der gebliebenen Lücke. Und trotzdem erinnert Springsteen an seine Freunde und reagiert auf die Schreie im Publikum mit einem ‚If you’re here and we’re here then they’re here…‘. Die Freundschaft und Nähe zu seinen Bandmitgliedern wird fassbar.
Nach ein paar neuen Songs läuft The Boss wieder zum Publikum und sammelt einige Pappschilder mit Wünschen ein. Auf einem Schild steht „Working On A Dream“. Springsteen zeigt es grinsend der Band. Little Steven schüttelt erschrocken und ratlos den Kopf. Sie beraten kurz mit Nils Lofgren zu dritt, mit welchem Akkord der Song anfängt (Springsteen beruhigt das Publikum nebenbei und versichert lachend, dass sie das schon hinkriegen) und dann legen sie los. Als er später ein weiteres Mal ein Schild aus dem Publikum holt, zum Klavier geht und es darauf stellt, folgt die dritte Überraschung: „If I Should Fall Behind“ in einer wundervoll ruhigen Soloversion am Piano.
Bald schon fährt er seine grössten Hits auf und spielt „Born In The USA“, „Born To Run“ und „Dancing In The Dark“. Mittlerweile ist es dunkel und da Springsteen gerne sieht was bei seinem Publikum läuft, sind sämtliche Lampen im Letzigrund an. Die Stimmung ist perfekt und Bruce sieht, was eine Swiss House Party ist, was ihm am Anfang des Konzertes noch nicht so klar war wie er sagte.
Als er dann mit „Tenth Avenue Freeze Out“ beginnt, ist uns Tramps schon klar, dass sich die Show dem Ende zuneigt. Im Lied singt Springsteen davon wie er zu seiner E Street Band und seinen Freunden kam. Am Anfang läuft er alleine durch die Strassen… Und dann trifft er als ersten Clarence. Die Musik geht aus. Auf den Leinwänden erscheinen Bilder der vergangenen Jahrzehnte mit seinem Freund. Es ist still. Springsteen selber steht wieder halb im Publikum und schaut sich die Bilder minutenlang regungslos an und holt damit seinen verstorbenen Wegbegleiter ein weiteres Mal auf die Bühne. Dann setzt er wieder im Song ein und spielt weiter…. Weil die Zürcher wirklich noch nicht genug haben, folgt zum Schluss noch ein fulminantes „Twist and Shout“. Die Band und er verabschieden sich ein letztes Mal und verschwinden in den Katakomben des Stadions.
Das Konzert ist vorbei, meine persönliche Wrecking Ball Tour auch. Nach neun Jahren war ich das erste Mal wieder auf Tour und ich wusste nicht, ob Springsteen mich wieder überzeugen kann. Doch das tat er. Auch in Zürich sah man diesen mittlerweile 62 jährigen Bruce, für den es nichts Schöneres zu geben scheint, als mit seiner Band, seinen Freunden auf der Bühne zu stehen. The Boss braucht nichts anderes als diese Bühne und Zuhörer, mit denen er in Kontakt treten kann. Er blüht auf bei seiner Arbeit, er erzählt Geschichten aus seinem Leben und beschreibt seine Gefühle mit einer unglaublichen Ehrlichkeit, Offenheit und oft auch mit einer gesunden Portion Selbstironie und Humor. Seine Freude daran ist so ansteckend, dass man sich wünscht, es würde niemals aufhören.
Setlist:
1. Don’t Look Back (Tour Premiere)
2. Badlands
3. The Ties That Bind
4. We Take Care Of Our Own
5. Wrecking Ball
6. Death to My Hometown
7. My City of Ruins
8. Spirit in the Night
9. Working On a Dream (Sign request – Tour Premiere)
10. Growin‘ Up
11. Save My Love
12. Jack of All Trades
13. Youngstown
14. Johnny 99
15. Working on the Highway
16. Shackled and Drawn
17. Waitin‘ on a Sunny Day
18. The Promised Land
19. If I Should Fall Behind (Sign request – Tour Premiere -… more)
20. The River
21. The Rising
22. Out in the Street
23. Land of Hope and Dreams
Encore:
24. We Are Alive
25. Born in the U.S.A.
26. Born to Run
27. Hungry Heart
28. Seven Nights to Rock
29. Dancing in the Dark
30. Tenth Avenue Freeze-Out
31. Twist and Shout
Text: Gastredakteurin Maya Inderbitzin
Bilder: Jasmin Stierli