Raid 409 + Homewards + Malewicz
Werk 21 – Zürich
Donnerstag, 15. Februar 2024
Text: David Spring
Man kann es nicht oft genug sagen: unsere heimische Punkszene ist einfach fantastisch! Klein, fein, laut und wild, und vor allem voller Talent und grossartiger Musik. Vergangenen Donnerstag bewiesen dies gleich drei wunderbare Bands, als das schicke Label DMB Records aus Bern im Werk 21 in Zürich zur lautstarken Label Night aufrief. Es war ein feucht-fröhlicher, munterer Abend mit viel Bier, Pogotanz und wilder, abwechslungsreicher Musik – ein Abend, wie man ihn eigentlich am liebsten jede Woche erleben möchte.
Den Auftakt machte eine der derzeit aufregendsten Bands aus der Westschweiz: Malewicz! Vor kurzem erst lieferte das charmante Punk-Quartett aus der Region Fribourg einen grossartigen Gig am diesjährigen Blaues Pferd Festival ab, und da sie auf der grossen Bühne der Reitschule in Bern ihr Backdrop vergassen und kurzerhand durch ein DIN-A4-Blatt ersetzten, gab es heute im kleinen Werk 21 nun endlich die volle Bühnendeko. Malewicz überzeugten wie gewohnt nicht nur durch ihre hervorragenden Punksongs und unbändige Energie und Spielfreude auf der Bühne, sondern auch durch den äusserst sympathischen Humor und das vorzüglich gebrochene Deutsch von Sängerin Teo Marunovic. Als Drummer Vivien Gilliéron einen Stick verlor und dieser ihm von jemandem – verkehrte Welt – aus dem Publikum wieder zugeworfen wurde, lachte sich Band und Publikum schief, als Teo meinte «du hast dein Baguette verloren». Die letzten drei Songs, allesamt von der neuen EP «The New Hier», wurden dann zu allem hin mit der Warnung angekündet, dass sie diese nun mit zwei Gitarren spielen werden, was natürlich auch doppelt so viele Fehler bedeuten würde. Glorreich.
Doch trotz all dem Kalauere ging natürlich die Musik nicht unter und Malewicz bewiesen während den knapp 40 Minuten ihres Sets, was für hervorragende Songs sie haben. Rasant, melodiös und abwechslungsreich macht diese Band einfach jedes Mal unglaublich Spass. Das Publikum im erst noch relativ spärlich gefüllten Werk 21 wusste dies zu goutieren und nicht wenige verliessen den schönen Keller als frischgebackene Fans – was für ein Start in den Abend.
Als nächstes wurde es etwas melancholischer und härter, denn nun standen Homewards auf dem Plan. Das Fünfgespann bezeichnet ihren eigenen Sound als «truurigi musig us züri», was die Sache zwar nicht schlecht beschreibt, aber doch etwas zu simpel erscheint. Irgendwo zwischen melodiösem Hardcore und Post-Hardcore angesiedelt drückte die Band von Beginn an ordentlich ab. Die ersten paar Songs waren alle im Mid-Tempo gehalten und luden zu wuchtigem Headbangen ein, überzeugten vor allem aber auch durch reichlich kreative und abwechslungsreiche Parts. Der wütende, schmerzverzerrte Gesang von Sänger Sevi ging zwar stellenweise etwas im Mix unter, doch es bestanden keine Zweifel, dass hier unglaublich viele Emotionen freigelegt wurden. Passenderweise wurde auch das Gequatsche zwischen den Songs im Vergleich zu den Westschweizer:innen zuvor weitestgehend eingestellt und durch sphärische Überleitungen zwischen den Songs ersetzt. Dies sorgte für vorzügliche Atmosphäre und unterstrich den emotionalen Grundton der Band perfekt.
Im Mittelteil des Sets traten Homewards auf einmal massig aufs Gaspedal und feuerten ein paar rasante Hardcore-Tracks ab. Dieser markante Tempowechsel brachte dann auch ordentlich Bewegung im bereits jetzt schon gut angeheiterten Publikum auf und sorgte für Stimmung. Die Energie auf und vor der Bühne war merklich spürbar und die Band überzeugte mit druckvollem Sound, starken Melodien und tollen, intensiven Songs voll und ganz. Der einzige Kritikpunkt kam ganz am Schluss, als man nach dem letzten Song einfach so die Bühne ohne ein Wort oder irgendwas verliess, so dass kaum klar war, dass die Show vorbei war. Etwas komisch, aber sei es drum. Toll war’s trotzdem.
Und damit waren wir bereits bei der letzten Band des Abends angelangt: Raid 409. Und wie wir es an diesem Abend mittlerweile erwarten durften, wurden auch hier keine halben Sachen gemacht. Volle Pulle droschen die Vier los und brachten die Leute innert Sekunden zum Durchdrehen. Dem Sound der Jungs hängt etwas wundervoll Nostalgisches an, viele der Songs erinnerten an ganz frühe Blink 182, als diese noch nicht jeden Ton trafen und noch weit vom heutigen arroganten Superstar-Gehabe entfernt waren. Nimmt man dazu die Simplizität der Ramones und das bierselige, übergrosse Gehabe von Bands wie Turbonegro und es überraschte wenig, dass Raid 409 vorzüglich abräumten. Auch der stellenweise zugegebenermassen eher unreife Humor passte da hervorragend ins Bild, eine unmissverständliche Ode an die eigene Hand wie in «My Hand» oder der üble Teenage-Pop-Punk-Track «Beach Party» liessen durchaus etwas Subtilität und Fingerspitzengefühl für einige Probleme der globalen Punk-Szene vermissen. Doch der Stimmung im Dynamo-Keller tat das alles keinen Abbruch.
Raid 409 brachten uns nicht nur vorzüglich energiegeladenen Punkrock, sie hatten zudem auch ein neues Album im Gepäck. Die neue Platte «Blank» wurde passend mit viel verschüttetem Bier getauft, und spätestens ab diesem Moment war «Bier» sowieso das Wort der Stunde, waren die Leute sowohl vor wie zum Teil auch auf der Bühne mittlerweile merklich angeheitert. (Hier nur am Rande: können wir bitte damit aufhören, dass sich Cis-Männer auf und vor der Bühne ihrer Shirts entledigen?) Wir gratulieren natürlich zur fulminanten Albumtaufe, es ist immer schön, wenn eine coole Schweizer Band so überzeugend und konsequent ihr Ding durchzieht und damit dazu beiträgt, dass unsere schöne Szene weiter am Leben bleibt.
Und damit war dann irgendwann auch das Ende dieses wundervollen Punkrock-Abends erreicht. Einmal mehr bewies die heimische Szene, wie abwechslungsreich, unterhaltsam und überzeugend Schweizer Punkrock sein kann. Ein grosses Danke geht raus an DMB Records, die diesen Abend möglich machten, und natürlich an die drei grossartigen Bands. Raid 409 sind absolute Spass-Garanten, Homewards bewiesen, dass Gefühle und Emotionen niemals fehl am Platz sind, und Malewicz durchbrachen einmal mehr erfolgreich den Röstigraben und sind sowieso eine der besten und charmantesten Punkbands, die unser Land zurzeit hat. So muss das sein, so darf es immer sein.