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Hellripper + Abbath + Asphyx + Toxic Holocaust + Benighted + Gaerea + Vorax
Dynamo – Zürich
Samstag, 6. Januar 2024
Text: David Spring / Bilder: Christian Wölbitsch
Nach dem ersten glorreichen Abend des Meh Suff!-Winterfestivals war es nicht ganz einfach, am Tag darauf wieder in die Gänge zu kommen. Vor allem, weil es bereits um 15 Uhr losging, einer gar unchristlichen Zeit. Doch der Samstag versprach kolossal zu werden, mit ganzen sieben Bands aus dem gesamten Spektrum des Extreme Metals in einem erneut ausverkauften Dynamo. Ausruhen war also Fehlanzeige, schlafen können wir schliesslich, wenn wir des Gehörnten Brücke endgültig überqueren müssen. Oder so.
Den Auftakt machten die Lokalheroen von Vorax. Die Band aus Zürich spielt nach eigenen Angaben Primeval Death Metal und selten war eine Genrebezeichnung so treffend. Nicht nur handeln scheinbar alle Texte von Dinosauriern und Artverwandtem, auch bei den musikalischen Einflüssen wurde sehr weit in der Vergangenheit herumgestochert. So old-schoolig hat Death Metal schon lange nicht mehr geklungen. Ohne grosse Überraschung ging das hervorragend ab. Die Band legte mit ansteckender Energie und Spielfreude los – und es verging kaum einen Song, bis die Leute das Dynamo schnell füllten. Die knallharten Riffs, wahnwitzigen Gitarrensolos und die vernichtende Stimme von Shouter Beni überzeugten auf ganzer Linie und der kurze, aber heftige Auftritt von Vorax machte einen Heidenspass.
Nach diesem vorzüglichen Einstand war es dann schon Zeit für die Band, auf die sich der Schreiberling dieser Zeilen am meisten freute: Gaerea! Die maskierten Portugiesen legten mit einer brachialen Gewalt los, die ihresgleichen sucht. Obwohl der Sound hier das einzige Mal an diesem Festival nicht ganz perfekt war und das Schlagzeug etwas komisch im Mix lag, erdrückte der kathartisch vernichtende Black Metal alles. Der Sänger tänzelte mit verstörenden Bewegungen und schrägen Zuckungen über die Bühne und schrie sich die Seele aus dem Leib. Gaerea forderten auch von ihrem Publikum unabdingbaren Gehorsam und immer wieder schnellten die Fäuste im Takt der Musik gen Himmel. Als die Band dann zum finalen, alles vernichtenden «Laude» ansetzte, wurden noch einmal sämtliche Kraftreserven geplündert. Was für eine unglaubliche Macht – und das bereits um 16 Uhr.
Als nächstes waren Benighted aus Frankreich an der Reihe. Noch vor dem ersten Ton forderten die Brutal Death Metaller aus Frankreich schon zum Circle Pit auf, was bisher überhaupt nicht nötig war und sich entsprechend fehl am Platz anfühlte. So schwappte die Stimmung schnell von gemütlichem, gemeinsamem Genuss der Musik in merklich aggressivere Gefilde über, was zwar den extrem brutalen Songs dienlich war, mir aber nicht so behagte. Die Band kam bei den Leuten aber bestens an und sie gingen voll ab. Man muss auch neidlos anerkennen, dass sie mitunter zu den tightesten und furiosesten Musikern dieses Festivals gehörten. Als einmal der Fuss etwas vom Gaspedal genommen wurde und ein an Sepultura erinnerndes Groove-Monster ausgepackt wurde, gefiel das sogar mir. Bei einem solch abwechslungsreichen und vollgepackten Line-Up kann ohnehin nie jede Band den Geschmack aller treffen, doch Benighted haben sich mit ihrer erbarmungslos rabiaten Show ihren Platz am Festival mehr als verdient.
Mit Toxic Holocaust war als nächstes die einzig reine Thrash Band des Abends am Start, was eine willkommene klangliche Abwechslung darstellte. Das gutgelaunte Trio legte, wie es sich gehört, ohne Rücksicht auf Verluste los – und brachte die ohnehin schon angefixte Meute zum kompletten Ausrasten. Die Drei mussten das Dynamo gar nicht erst zu Circle Pits und ähnlichem auffordern, die Leute drehten auch so durch. Und obwohl die Band bei mir ein paar Sympathiepunkte verspielte, in dem sie uns immer wieder als «Motherfuckers» und ähnliches bezeichneten, machte die Musik halt trotzdem ordentlich Spass. Das Haupthaar flog wild und Toxic Holocaust legten alles in Schutt und Asche – so sehr, dass sie unerwarteterweise schon zehn Minuten schneller als eigentlich geplant fertig waren.
Nach zwei dermassen intensiven Auftritten waren nicht wenige froh, sich eine kurze Verschnaufpause gönnen zu können und viele nutzten die zusätzliche Zeit, um sich im Treppenhaus zu erholen oder etwas zu essen. Auf einem Vordach im zweiten Stock befand sich neben dem Raucherbereich auch ein kleiner Food-Stand, an dem es lecker Suppe und Burger gab – und zudem ganz schaurige Musik, wurden da doch fast ausschliesslich alte Pop- und Eurodance-Klassiker aus den 90ern aus den Boxen gehämmert. Sehr bizarr, sehr witzig.
Frisch gestärkt ging es in die nächste Runde, als mit Asphyx erneut legendäre Fachmeister der harten Klänge die Bühne betraten. Die paar Jahre auf den Buckeln der niederländischen Death Metaller bemerkte man nicht im Geringsten. Die Stimme von Sänger Martin van Drunen war schauerlich beeindruckend, als er sich mit ansteckender Energie durch die Songs keifte und schrie. Auch wenn seine sehr häufigen, deutsch und niederländischen Ansagen meist kaum verständlich waren, frassen ihm die Leute aus den Händen. Und obwohl man dem Publikum langsam, aber sicher anmerkte, dass der Bierkonsum astronomische Ausmasse angenommen hatte und man schon seit Stunden am Durchdrehen und Feiern war, so war von Schlappmachen keine Spur. Asphyx boten einen grossartigen Abriss und machten mit ihrem abwechslungsreichen Sound und gnadenlosen Songs mächtig Spass.
Das Highlight für viele der Besucher:innen folgte als nächstes in der beeindruckenden Gestalt des Grossmeisters der harten, schwarzen Klänge: Abbath Doom Occulta! Adrett stachelig und furchteinflössend gekleidet, und dabei etwas wie der Gene Simmons des Black Metals wirkend, bot der legendäre Norweger ein imposantes Bild. Doch noch viel beeindruckender war das vernichtende Klanggewitter, das hier auf uns niederprasselte. Abbath sind weithin bekannt dafür, auch mit Heavy Metal und gar Classic Rock zu liebäugeln und Black Metal mit ganz neune, einzigartigen Facetten auszuschmücken. Live funktionierte das unverschämt gut, von der gewaltigen Stimme des Frontmanns bis hin zum unglaublich geilen, unverwechselbaren Gitarrensound stimmte alles. Das Meh Suff-Publikum wusste dies zu goutieren, die Stimmung war ausgelassen und euphorisch, und Abbath legten den vielleicht besten Auftritt des Festivals hin. Wahrlich kolossal, furchteinflössend und fantastisch.
Damit war das Ende beinahe erreicht, doch mit Hellripper stand noch ein letzter Höhepunkt auf dem Plan. Die Ein-Mann-Band um den Schotten James McBain, die live um drei weitere Musizierende ergänzt wurde, liess nichts anbrennen. Der rasante Mix aus Speed und Black Metal forderte ein letztes Mal alles von der gut erheiterten Menge. Im Wissen, dass danach Schicht im Schacht sein würde, gab das Meh Suff-Publikum ein letztes Mal alles. Leider konnte ich selbst, wegen Zugverbindungen, nicht mehr den ganzen Auftritt geniessen, doch nach sieben wahrhaft grossartigen Bands und einem vorzüglichen Line-Up voller Abwechslung kann man sich nicht beschweren.
Und so ging das Meh Suff! Winterfestival 2024 fulminant zu Ende. Es war ein wundervolles Fest und der perfekte Start ins neue Jahr. Von der tollen Organisation über das gutgelaunte Publikum bis hin zu jeder einzelnen der insgesamt zwölf Bands: Es hat alles gestimmt und machte unendlich viel Spass. Danke darum noch einmal an alle Beteiligten, die dieses Festival nicht nur zu einem vollen Erfolg machten, sondern jetzt schon zu einem absoluten Highlight des Konzertjahres. Happy New Year allerseits, 2024 kann nur gut werden.