Datum: 24. Juni 2011
Ort: St. Jakob-Park – Basel
Off. Website: Sonisphere
Endlich war es – wieder – soweit: Sonisphere schlug seine Zelte auf, zum zweiten Mal und nach der Jungfernfahrt in Jonschwil, St. Gallen, war es diesmal das Basler St. Jakob Stadion mitsamt grosszügigem Umschwung. Das Wetter zeigte sich von seiner mehr oder minder guten Seite, und in Anbetracht der schier unerschöpflichen Anzahl an famosen Bands war auch ziemlich rasch der Ärger über die Akkreditierungs-Hürde verflogen. Auf diesen unverständlichen Irrsinn folgte angenehmerweise rasch die erste Grossartigkeit in Form von Buckcherry. Die US-Rock-Combo, die sich nach ihrer Auflösung sommers 2002 wieder zusammen rauften, überzeugte mit ihren zuweilen balladesken Songs. Hauptverantwortlicher dafür war der ganzkörpertätowierte Sänger Josh Todd.
Nicht ganzkörpertätowiert, dafür unwirtlich aufgedunsen, ja, wohl eher dick (aber doch noch vital), kam Dave Wyndorf, seines Zeichens Dreh- und Angelpunkt der drogengeschwängerten Monster Magnet daher. Über Monster Magnet muss nicht viel mehr gesagt sein, als dass sie sich ob unrühmlich vielen Querelen trennten und jüngst wieder zusammen kamen. Ihr aktueller Silberling, Mastermind, trieb den Fans Freudetränen in die Augen und Kritikern riss er förmlich die Zunge heraus. Letztere behielten immerhin noch die Hände, was jene gleich dazu nutzen, das Album über den grünen Klee zu loben. Das US-Kunterbunt hat auch nichts anderes verdient, ist die Platte doch sehr gelungen, was sich ebenso in Bezug auf den Sonisphere-Auftritt sagen lässt. Weniger professionell war dagegen der kurzfristig geplatzte Interviewtermin. Diese Art von Unprofessionalität gilt es aber zu vernachlässigen – solange Monster Magnet weiter gute Musik machen.
Und ja, es stand ohnehin noch das Gesprächsschmankerl mit Mastodon (ein Königreich für ihre Musik, ein Königreich für ihre spazieren geführte Sympathie, ein Königreich für die Teilnahme am diesjährigen Sonisphere) auf dem Programm. Ein mit viel Vorfreude gespicktes Schmankerl, das kurzweilig wie interessant-frohlockend daherkam. Mastodon bieten seit 2000 sogenannter Progressive Metal, wobei das Progressive der Komplexität ihrer Musik keines Falls gerecht wird. Ihre Songherberge vereint ellenlange Instrumental-Kostbarkeiten, ebenso krasse Rhythmus-Variationen, harsche und mitunter verspielte Lyrics, sowie zementschwere Riffs. Mastodon waren sicher einer, nebst Slipknot, der Höhepunkte überhaupt, und ob sie mit ihrer musikalischen Grandezza an einem solch’ Festival auf Anklang stossen würden, das konnte im vornherein nicht sicher gesagt sein. Mastodon selber sehen Sonisphere einerseits als wunderbare Möglichkeit, sich einem breiteren Publikum zu präsentieren, anderseits frönen sie damit ihrer ungebändigten Lust, Musik zu machen – und dabei gleich noch auf andere spannende Bands zu treffen.
Ihre Lust und ihre totale Notenschlüsselhingabe sind denn auch zwei (von vielen weiteren) Gründe(-n), weshalb Mastodon in den nächsten Jahren auch nicht „extincted“ sein würden. Ja, ihr Bandname ist gleichzeitig die Bezeichnung für Mammut Americanum, ein längst ausgestorbenes, haariges Rüsseltier. Vor diesem Hintergrund hat(-te) die Frage ihre Daseinsberechtigung. Dass auch Mastodon Daseinsberechtigung haben, ist klar, wird aber zusätzlich deutlich gemacht, wenn sie davon sprechen, sehr gut von ihrer Musik leben zu können. Wohlan, sollen sie sich nicht nur namenstechnisch an das Mammut anlehnen, sondern auch einen mammutgrossen Mammon geniessen. Wer Mastodon bislang noch nicht kannte, der soll sich ihnen hingeben, und dabei ist es egal, ob man sich dem inzwischen zwei Jahre alten Album „Crack the Skye“ bedient oder einem der drei vorangegangenen. Übrigens, Mastodon verstehen es hervorragend, sich – auf Tour – an die Fersen von anderen grossartigen Bands zu heften: Cannibal Corpse, Fear Factory, Slayer, Queen of the Stone Age. Ins wunderbar gezeichnete Bild passt ihr Faible für Melvins. Und wo Melvins sind, da ist Mike Patton nicht weit. Und wo Mike Patton ist, da sind wiederum Mastodon nicht weit: „We like everything that has something to do with Mike Patton – Mr. Bungle, Tomahawk, Faith No More, Fantômas and so on and so forth.”
Anerkennung verdienen selbstverständlich weitere Sonisphere-Exponenten, so etwa Slipknot respektive deren heissersehnten Auftritt. Seit dem letztjährigen (Drogen-)Tod ihres Bassisten Paul D. Gray sind die „Henkersknoten“ aus Iowa nur selten aufgetreten. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb boten Slipknot ein wahres Feuerwerk. Auf der Hauptbühne gaben sie ein Stelldichein, das furios wie gewaltig und absolut einmalig war. Trotz Tageslicht und Sonne schraubten die bizarr-clownesk anmutenden Metaller das Seh- und Hörerlebnis in sphärische Höhen. Rotormässig in die Höhe schraubte sich überdies Joey Jordison mitsamt seiner Drum-Station, und nebst Pyrotechnik gaben Slipknot Stage Diving – vom Dach, wohlbemerkt – zum Besten. Rund 90 Minuten dauerte dieser vom Wahnsinn umzingelte Gig, der nicht wenige Male Zuschaueropfer forderte, und Helfer wie Helfershelfer arbeitsame Minuten bescherte. Slipknot übertrafen sich selber und stellten viele der bisher feilgebotenen Konzerte in den Schatten.
Keinen Schatten, dafür abendliches Eindunkeln wurde Iron Maiden zuteil. Eine gefühlte Million Zuschauer liessen sich von der eisernen Jungfrau und überwiegend von The Final Frontier, ihrem grossartigen Album, das Iron Maiden wieder zurück auf die Musiklandschaftskarte brachte, in den Bann ziehen. Zu Recht. Dasselbe gilt für Cavalera Conspiracy, dem Death-/Thrash-Metal Projekt der Bruderschaft Max, Gesang und Gitarre, sowie Igor, Schlagzeug. Die zwei Cavaleras sind durch Sepultura weltberühmt geworden, ihren langjährigen Zwist konnten sie, zumindest temporär, unter den Teppich kehren – und legten des Nachts einen harschen, gewaltigen, eichenharten Musikteppich über die leider nur spärlich gefüllte Zuschauergilde. Das beeindruckte allerdings keiner, Cavalera Conspiracy wurden denn auch frenetisch gefeiert und sie belohnten die Audienz mit einer unglaublichen Intensität sowie einigen Sepultura-Songs.
Über die diesjährige Sonisphere-Veranstaltung könnte noch viel mehr geschrieben werden, immerhin waren weiters auch Gwar, In Flames, Judas Priest (und und und) zugegen. Doch zu viele Worte verderben das Textejakulat und so hoffen wir einfach auf eine wiederholte Fruchtbarkeit, die sich 2012 in Form eines nochmaligen (Sonisphere-)Hochgenusses zeigt. Wohlan, wohlauf – die Organisation beginnt wohl schon jetzt!
Geschrieben von: Cyril Schicker