Dackelton Records / VÖ: 15. Oktober 2023 / Punk
fraupaul.band
Text: David Spring
Kennt noch jemand Paul, den freundlichen Bademeister, über den Die Ärzte vor einem halben Jahrhundert mal sangen? Nun, der Jung’ hat ausgedient, denn heute heisst es Bühne frei für Fraupaul! Okay, zugegeben, diese Einleitung war etwas sehr holprig… Egal, denn Fraupaul sind drei Hamburgerinnen, die mit ihrer neusten, zweiten EP die Szene ordentlich aufräumen werden.
Nach den ersten paar Bandraum-Aufnahmen letztes Jahr geht es auf «Was, wenn wir dann durchdrehen…?!» nun richtig zur Sache. Fraupaul haben sich nämlich nicht irgendeinen untergrundigen Szene-Produzenten ins Boot geholt, um den neuen Tracks den nötigen Feinschliff zu verleihen, sondern Tatort-Komponist Andreas Weidinger. Ja, DER Tatort, die unkaputtbare Krimi-Serie. Was auf dem Papier kurios klingt, funktioniert auf Platte aber verdammt gut. Schon der Opener «Italien» macht klar, dass hier nicht einfach nur eine weitere Schrammelpunkgruppe zu Werke geht. Der Bass rumpelt ordentlich, die Gitarren drücken ab und der eingängige Gesang von Sängerin/Gitarristin Lisa geht sofort ins Ohr. Dazu ein sympathisch witziger Text übers Streiten im ersten Pärchen-Urlaub – wunderbar.
Fraupaul liefern in ihren Songs viel mehr als nur Drei-Akkorde-Punk. «Hinter Den Gardinen» ist ein melancholisches Brett mit Grunge- und Post-Hardcore-Kanten sowie einem hervorragenden Text über unsere Verschwender-Kultur. «Owoho» wiederum ist astreiner Reggea-Punk, eine gutgelaunte Abhandlung mit der Deutschen Bahn und den Auswirkungen derer ewiger Verspätungen auf das eigene Liebesleben. Das heftige «Hilf mir nicht» ist musikalisch vielleicht der interessanteste Track, düster und eindringlich krallen sich der intensive Gesang und die Moshpit-tauglichen Riffs sofort in die Gehörgange.
Das abschliessende «Kein Song für Dich» ist eine schonungslose Abrechnung mit dem Ex. Der fette, düstere Song haut voller Wut und Frust rein und schliesst den Kreis schön zum vergleichsweise unbeschwerten Opener. Fraupaul schaffen es, in den 17 Minuten der EP sämtliche Emotionen zu erwecken und dabei dem nicht immer sehr kreativen Punk-Genre einiges Neues zu entlocken. Das abwechslungsreiche Songwriting, die fette Produktion, die sympathische, ehrliche Art der drei Musikerinnen und die verdammt guten Songs machen «Was, wenn wir dann durchdrehen…?!» zu einer hervorragenden EP, die richtig Bock auf mehr macht.