Alerta Antifascista Records / VÖ: 15. September 2023 / Black Metal
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Text: David Spring
Es gibt viele Klischees darüber, wie aggressiv und wütend die deutsche Sprache klingt. Und sind wir ehrlich: wenn man nicht gerade liebliches Bärndütsch spricht, ist da durchaus was dran. Ein gutes Beispiel dafür ist die Post-Black-Metal Band No Sun Rises aus Göttingen. Trotz dem englischen Bandnamen nämlich singen sie weitestgehend auf Deutsch. Und wie wir alle wissen ist Deutsch und Black Metal eine Kombination, die sämtliche Höllenfürsten in Angst erzittern lässt.
Das dritte Album der Gruppe lautet auf den wohlklingenden Namen „Harmisod“, was vor vielen, vielen Jahren soviel wie „falsche Anschuldigung“ oder „Verleumdung“ bedeutete. Der Opener „NebellebeN“ beginnt verheissungsvoll mit gespenstischen Stimmen, bevor ein mächtiges Riff und harte Trommeln Überhand gewinnen. Die dämonisch, bösartige Stimme des Sängers jagt uns alsbald kalte Schauer über den Rücken. No Sun Rises machen alles richtig, von der Atmosphäre über die fette Produktion bis hin zu den sehr kreativen Songideen. Der ruhige Mittelteil des achteinhalbminütigen Songs wird zum Beispiel durch eine unheilvolle Erzählstimme veredelt.
Die Band tendiert zu eher längeren Songs. „Unter Tage“ und „In Trockener Erde“ dauern gemütliche 14 Minuten. Zum Glück versteht es die Band, diese Zeit effektiv zu nutzen. Ersterer beherbergt zwischen all dem glorreichen Gekeife und den rastlosen Blastbeats eine längere Akustik-Sequenz, die sich so weit aus dem Fenster lehnt, dass sogar Folk- und Americana-Klänge zugelassen werden. Mit der tieftraurigen Atmosphäre und wundervoll flehenden Gesängen erschaffen No Sun Rises eine kaum je gehörte Mischung. Das abschliessende „In Trockener Erde“ geht noch einen Schritt weiter und beginnt mit keltischen Klängen, die sich so vorzüglich in das darauffolgende Gemetzel einreihen, dass es eine wahre Freude ist.
Ebenfalls erfreulich ist die Tatsache, dass sich No Sun Rises ganz eindeutig anti-faschistisch positionieren und überall klarstellen, dass sie keine Band für irgendwelche NSBM-Arschlöcher sind. Schon nur dafür gibt es Applaus. Je mehr Black Metal Bands so klar Stellung beziehen, umso schneller kann die Szene vielleicht endlich von diesen ekelhaften, gefährlichen Auswüchsen befreit werden.
Wenn nach knapp 45 Minuten dann die letzten Lagerfeuer-Geräusche einer – so wird vermutet – brennenden Kirche verklingen, fühlt man sich erhaben und gleichwohl wuchtig erschlagen. Die vier Tracks sind nicht einfach zu verdauen, denn No Sun Rises fordern mit ihrer Musik viel. Doch am Ende belohnen sie uns genauso reich. Sie getrauen sich, über Genre-Grenzen hinwegzuschauen und liefern mit „Harmisod“ auf ganzer Linie ab. Das Resultat ist faszinierend und verdammt gut.