Halle 622 – Oerlikon
Montag, 24. April 2023
Text: Torsten Sarfert / Bilder: Manuela Haltiner
Der Montagabend beginnt in der Zürcher Halle 622 mit einer intim verträumten Soloperformance der fast feenhaft anmutenden jungen britischen Folk-Singer/Songwriterin Billie Marten. Wie sich gleich herausstellen sollte also der komplette Gegenentwurf zum Hauptact und trotz ihrer musikalischen Qualitäten eine weitere fragwürdige Personalie aus dem Land der Supportact-Auswahlentscheidungen. Trotzdem zauberte Billie Marten mit ihrer Darbietung eine warme und entspannte Stimmung in die sonst eher kühle, funktionale Halle 622.
Diese drehte sich (Stichwort „Gegenentwurf“) um 180 Grad, als vier verwegene und teils bärtige Bestager in klassischer Rock’n’Roll Besetzung und entsprechendem Outfit kurz darauf die Bühne enterten. Mit „Steam Engine“ vom letzten (sehr rockigen) Album „Extreme Witchcraft“ eröffneten die Eels den Abend und gaben damit die musikalische Marschrichtung für die kommenden knapp zwei Stunden vor.
Ausgestattet mit zwei (Fuzz-)Gitarren, Bass, Schlagzeug und Gesang in glitzernden Anzügen und Sonnenbrillen, brannten die Amerikaner ein regelrechtes 60s-Garage-Feuerwerk ab. Darunter fanden sich neben knackigem Eigenmaterial auch Coverversionen von NRBQ, Small Faces und Kinks-Songs. Der Kinks Überhit „You Really Got Me“ bekam einen neuen Text verpasst, liess aber dennoch nichts von seiner überlebensgrossen musikalischen Wirkmacht vermissen und man fragte sich unwillkürlich, was das wohl mit einem gemacht hätte, wäre man damals bei den Kinks live mit dabei gewesen.
Eels Mastermind Mark „E“ Oliver Everett ist bekannt für unterschiedlichste Live-Interpretationen seiner eigenen Songs. Diese auf das Nötigste reduzierte und maximal tighte Versionen (inkl. retro Schlagzeugsoloperformance!) verfehlten jedenfalls ihre Wirkung beim Publikum nicht. Das würde ich gerne mal in einem kleinen, verschwitzten Club sehen. A propos „verschwitzt“: Alle Bandmitglieder erreichten während ihrer schweisstreibenden Performance zweifellos ihr – wie auch immer definiertes – Trainingsziel. Publikumswirksam und in typischem Eels-Humor über das digitale Backdrop und Herrn „E“ kommuniziert.
Natürlich durften auch die ruhigeren Töne – aka Crowdpleasers – nicht fehlen und man konnte sich unter anderem zu „It’s A Motherfucker“ und „All The Beautiful Things“ ein wenig an seine Begleitung schmiegen oder wahlweise in sein Getränk weinen. Leider wurde damit aber auch immer wieder der dicke rote Faden des 60s-Garage-Sounds durchschnitten, was ich persönlich – bei aller Liebe der Hits – etwas schade fand. Natürlich ist das wieder einmal das berühmte Jammern auf hohem Niveau und spätestens mit einer punkigen Version von „Wonderful, Glorious“ und der Coverversion des Argent Bombastrockers „God Gave Rock’n’Roll To You“ im zweiten Zugabenteil, wirbelte einen der Lockdown Hurricane stilsicher und glücklich auf den Heimweg.
Setlist [Quelle: Setlist.fm]
- Steam Engine
- Amateur Hour
- Me And The Boys
- Watcha Gonna Do About It
- Good Night On Earth
- Anything For Boo
- Jeannie’s Diary
- 3 Speed
- The Gentle Souls
- Peach Blossom
- Who You Say You Are
- I Need Some Sleep
- It’s A Motherfucker
- The Deconstruction
- All The Beautiful Things
- Dog Faced Boy
- You Really Got Me
- Drummer Man
- Novocaine For The Soul
- I Like Birds
- Are We Alright Again
- Baby Let’s Make It Real
Zugaben 1
- Friendly Ghost
- Last Stop: This Town
Zugaben 2
- Earth to Dora
- Wonderful, Glorious
- God Gave Rock and Roll to You