Harvey Rushmore & The Octopus + Mr. Ray
Gannet – Basel
Donnerstag, 20. Oktober 2022
Text: Eliane Hofstetter
Das Gannet ist ein ausrangiertes, englisches Leuchtturm-Schiff, das seit 2019 am Hafen in Basel abgesetzt und 2021 in Betrieb genommen wurde. Der rote Bauch hebt sich gegen den Himmel, die Lichterketten rund um den Kutter weisen den Weg zum Konzertsaal im Inneren. Der Schiffsbauch riecht nach geöltem Holz, die Decke ist niedrig, alles in schummriges Licht getaucht. Die perfekten Zutaten für eine psychedelische Reise.
Den Anfang machte die vierköpfige Band Mr. Ray rund um Sänger Jari Antti, der im gepunkteten Kleid und blonder Wuschelfrisur glatt als Reinkarnation von Kurt Cobain durchgehen würde. In der Vergangenheit bildeten Antti zusammen mit Massimo Tondini und Jakob Läser, die jetzt Teil von Harvey Rushmore & The Octopus sind, die schon fast legendäre Band Navel. Es machte nicht nur musiktechnisch Sinn, dass diese beiden Bands zusammen auftraten. Wie eine Klassenzusammenkunft, denn Basel bildete den Anfang, das Ende und die Zukunft von Navel und den Folgeprojekten. Jari Antti hat auch an allen Alben von Harvey Rushmore & The Octopus mitgearbeitet, als Produzent oder Mischer.
Mr. Ray legten mit verzerrten Klangteppichen aus Gitarre, Gesang und einer Prise Elektronik los. Noch früh am Abend war das Publikum noch eher dünn gesät und die Körper etwas steif, erst die Köpfe nickten mit. Nach dem ersten Gitarrensolo löst sich die Stimmung (unklar ob es die Musik, das Bier oder beides war), nach und nach verwandelte sich das Publikum in eine wogende und tanzende Masse.
Wir wurden zurückkatapultiert in die 70er, es gab keine Smartphones, nur Verstärker und Effektgeräte, den Rausch und Rhythmus. Die Inhalte der Songs waren akustisch nicht auszumachen – aber spielte das eine Rolle? Ich glaube nicht. Am Ende des Sets spielte Antti mit Verstärker und Gitarre herum, sodass sie sich gegenseitig in ihren Geräuschen verstärkten. Was für ein Auftakt.
Harvey Rushmore & the Octopus, die mit diesem Konzert ihre neue Platte „Freedomspacecake“ getauft haben, betraten die Bühne, hinter ihnen eine Leinwand mit bunten Visuals. Die Farben und Animationen liessen uns Zuschauer:innen in andere Zeitdimensionen und Universen fliegen. Das Publikum war aufgetaut und wiegte, schüttelte, nickte sich im Takt zum Sound.
Zu Beginn spielten Harvey Rushmore & The Octopus ihre melodiösen Stücke, zwischendurch erinnerten die Rhythmen an Rock’n’Roll, dann wieder an klassischen Psych-Rock. Mal düster, mal tanzbar entfesselt, mal fast meditativ-abdriftend. Im Lauf des Sets vermischten und verzerrten sich die Instrumente und Stimmen immer mehr, verwoben sich zu einem Klangteppich, der die Glieder in Bewegung hielt.
Der Gesang von Massimo Tondini wurde von den Effektgeräten wie Kaugummi gezogen, die Gitarren soundeten in Wellen, die alles trugen. Als würde sich die Gannet wieder über den Ärmelkanal bewegen, wie damals, als sie nach Basel geholt wurde. Wir landeten in den 60ern, mitten auf dem Ozean auf dem Schiff, dann in den 70ern und der Gegenwart, am Rheinufer in Basel an einem Donnerstagabend. Voll von den Ängsten und Sorgen der Gegenwart, die nach diesem Konzert angenehm fernblieben. Ein phänomenales Set, nach dem offiziell letzten Stück „Futureman“ folgte eine fast 10-minütige, hypnotisierende Zugabe. Was soll ich sagen; sexy Gitarrenakkorde, psychedelische Melodien und Effektgeräte mit ordentlich Distortion sind immer eine gute Mischung.