SO Recordings / VÖ: 15. Juli 2022 / Alternative Rock
deafhavana.com
Text: Patricia Leuchtenberger
Das sechste Studioalbum von Deaf Havana ist da: Obwohl das Duo, bestehend aus den Brüdern James und Matty Veck-Gilodi, schon seit über zehn Jahren im Musikbusiness heimisch ist, traf sie die Covid-19-Pandemie genauso hart und unerwartet wie ihre Kollegen. Und sie waren zu Beginn im Jahre 2020 bereit, mit ihrem Herzensprojekt Deaf Havana abzuschließen, getrennt weiterzuziehen. Diese unsichere Zeit prägte Matty ganz besonders, weswegen er Song für Song schrieb, bis er und Leadsänger James sich zusammen an die Arbeit für das neue Album „The Present Is A Foreign Land“ machten.
Nicht nur auf der Hand liegende Themen wie Trennung und Verlust finden ihren Raum auf der 12-Track Platte, sondern durchgehend präsent sind Motive der Abhängigkeit und Liebe. Doch der Titel des Albums und schon der erste Song „Pocari Sweat“ lassen das übergeordnete Gefühl vom Älterwerden durchscheinen, welches den allgemeinen Ton der Musik angibt. So gut wie jeder von uns hat dieses seltsame Phänomen in der Corona-Zeit erlebt: dass Monate und Jahre vergangen sind, aber man kaum etwas davon aktiv mitbekommen hat. Man sollte also meinen, dass man die Texte, die Verzweiflung in der Stimme von James Veck-Gilodi nachvollziehen, ja sogar nachempfinden kann, dass sie einen berühren, wenn er aus solchen Thematiken berichtet. Aber schon mit „19dreams“, dem darauffolgenden Track, scheint das ganze Album, Lied für Lied, in sich zusammenzufallen, bis am Ende nur noch ein großes, verwobenes Nichts übrig bleibt.
Und das liegt vor allem an der platten Umsetzung, weshalb Deaf Havana in diesen Album emotional keinen Draht zum Hörer aufbauen kann. Jeder Song klingt wie eine leicht abgewandelten Form des letzten. Zwischen den unoriginellen Ansätzen bei der Behandlung von hochemotionalen Themen werden dem Hörer unterkomplexe Songstrukturen und generische Akkord-Progressionen geboten, die die Anliegen von Deaf Havana in keinster Weise untermalen. Ein stilistisches Kuddelmuddel an E-Gitarren, viel Synthesizern, Streicher und Bläsern aus allen Ecken sowie akustische Lagerfeuerballaden deuten an, dass die Konzeption von „The Present Is A Foreign Land“ keinem roten Faden zu folgen scheint.
So singt Matty Veck-Gilodi in „Kids“: We could stay young forever“ dermaßen ausschweifend um die zehn Mal, dass man denken könnte, man höre letztendlich das lang ersehnte Reunion-Album von One Direction.