Flugplatz – Interlaken
Donnerstag, 9. Juni 2022
Text: David Spring
Endlich wieder Festival-Zeit. Nach der langen Durststrecke standen uns drei Tage Rock’n’Roll und Party am einzigartigen Greenfield Festival in Interlaken bevor. Mit einem Lineup, das sich sehen lassen konnte und etwas für alle Geschmäcker bot, standen die Sterne für das Revival der Schweizer Festivalszene bestens.
Abgesehen vom Lineup hatte das Festival das sonstige Angebot ordentlich ausgebaut. Nebst dem schönen, bereits seit langem etablierten Mittelaltermarkt, gab es 2022 einen zweiten, an die postapokalyptische Welt von „Mad Max“ angelehnten Themenbereich, der sich reger Beliebtheit erfreute. Auch das Essensangebot war bereits auf der Party-Meile und im Camping-Bereich ziemlich reichhaltig, wenn auch nicht gerade billig und für Vegetarier:innen und Veganer:innen schwach.
Das Greenfield Festival 2022 durfte einen neuen Besucherrekord verzeichnen. Die insgesamt 84’000 Menschen, die nach Interlaken pilgerten, zeigten sich spätestens dann, als am Donnerstag der Einlass auf das Festivalgelände losging. Wir mussten gute 40 Minuten anstehen, was zur Folge hatte, dass wir die legendären Alphornbläser verpassten, doch zum Glück machte die erste Band das lange Warten dann locker wieder wett: Skindred!
Die vier Waliser um den durchgeknallten Frontmann Benji Webbe rockten die Jungfrau-Bühne gehörig. Viele feierwütige Menschen waren bereits da, entsprechend ausgelassen die Stimmung von der ersten Sekunde an. Was für ein genialer Opener für ein regnerisches Festival. Als nächstes folgten die Punkrock-Coverhelden von Me First And The Gimme Gimmes auf der Hauptbühne, die sofort abgingen, allerdings fehlte etwas der Druck, den Skindred so kunstvoll aufgebaut hatten. Die Stimmung war ausgelassen und überschwänglich.
Auf der Eiger-Stage standen als nächstes die deutschen Punks von Akne Kid Joe mit einem Oasis-Banner in den Startlöchern. Die Band sprang kurzfristig als Ersatz für Spanish Love Songs ein, wofür sie sich sympathischerweise entschuldigten. Die Band brachte nicht nur endlich auch eine FLINTA* auf die Bühne, etwas, was leider immer noch grosse Mangelware ist, sie lieferten auch einen der witzigsten Gigs des Tages ab.
Gogol Bordello und die sehr cool klingenden Mass Hysteria mussten wir auf Grund des anbahnenden Hungers sich selbst überlassen, dafür gab es lecker Spätzli und Momos. Das nächste Highlight boten Electric Callboy auf der Hauptbühne. Angezogen wie in einem 90er-Jahre-Fitnessvideo drehten die sechs Techno-Core-Helden das Energielevel auf die nächste Stufe. Die Leute in Interlaken waren im Bann des abgedrehten Mix aus harten Beats und noch härteren Breakdowns, der Gig war der Beste an dem Tag.
Schlag auf Schlag ging es auf der Eiger-Stage mit Lagwagon weiter. Leider stellte sich heraus, dass deren Tourbus auf dem Weg nach Interlaken den Geist aufgab und Joey Cape, der es allein an den Event geschafft hatte, spielte einen seiner geliebten Soloauftritte. Während auf der Hauptbühne die Heavy Metaller Powerwolf einen ziemlichen Abriss veranstalteten, warteten wir gemütlich auf die Metalcore-Formation Stick To Your Guns, die trotz ein paar Soundproblemen gleich den grössten Circle Pit des Festivals anzettelte.
Wir hatten den ganzen Tag aufmerksam den Wetterbericht mitverfolgt, entsprechend bange waren wir vor dem Auftritt von The Offspring. Die Punk-Legenden legten in strömendem Regen los, doch Hits wie „Come Out And Play“ und „Want You Bad“ brachten Bewegung in die durchnässte Meute. Mich überzeugten die alternden Jungs nicht wirklich, die Luft ist langsam raus. Man merkte der Band an, dass sie Songs wie „Pretty Fly (For A White Guy)“ und „The Kids Aren’t Alright“ ein paar Mal zu oft gespielt haben. Umso schöner, dass beim grossartigen Danko Jones auf der Eiger-Stage keinerlei solcher Ermüdungserscheinungen zu bemerken waren. Der Typ rockt live jedes Mal und lieferte die perfekte Abschluss-Show für diesen ersten Tag ab.
Auf den Headliner Korn hatten wir keinen Bock, zumal unser Zelt nahe genug am Festivalgelände stand, dass wir deren Auftritt auch aus der Ferne noch hörten. Es klang cool, aber wir waren mehr als zufrieden, bald schon in unsere Schlafsäcke zu steigen, während gefühlt das ganze restliche Festival im Rckstr-Block zum tausendsten Mal „Bro Hymn“ sang und bis morgens um fünf durchfeierte. So gehört es sich für ein gutes Festival, schlafen kann man ja auch zu Hause wieder. Greenfield, danke gibt es dich wieder, was für ein Tag!