Pias Recordings / VÖ: 22. April 2022 / Punk Rock
Facebook
Text: David Spring
Immer besser, immer schneller, immer mehr und mehr. Die auf Höchstleistungen ausgelegte Gesellschaft macht es uns nicht einfach, eine erfüllende Existenz zu führen. Jeden Tag beginnt das Rennen gegen Verpflichtungen, Deadlines, Meetings und die ewige To-Do-Liste von Neuem. Mit solch ernüchternden Gedanken hat sich die belgische Punkband Sons an die Arbeiten für ihr Album „Sweet Boy“ gemacht.
Die Band aus der Nähe von Antwerpen treibt seit 2018 ihr Unwesen mit wilden Touren, auf denen sämtlichen Rockstar-Klischees gefrönt wird. Dann die zwangsläufige Pause, die unerwarteterweise zum Überdenken der Herangehensweise und vor allem zu einer Reihe fast erwachsener Songs geführt hat. Im Opener „Succeed“ lässt Sänger und Gitarrist Robin Borghgraef in bester Frank Carter-Manier seinem Unmut freien Lauf. Die Tirade über den konstanten Leistungsdruck wird von industriellen Beats und Sirenen untermalt, kalt und sehr effektiv.
Danach ziehen Sons das Tempo an, „Nothing“ demonstriert die Stärken der Band. Eingängige, mehrstimmige Hooks, massiv verzerrte Gitarren und krachende Beats. Die Vergleiche mit Frank Carter & The Rattlesnakes hören nicht auf, die Mischung aus ultra-wütendem Gesang und hitverdächtigen Melodien erinnert stark an das Œuvre des ehemaligen Gallows-Frontmanns. Der Titeltrack ist ein gutes Beispiel dafür, das Hauptriff ist stoisch und ungehalten, der Gesang schräg und ungestüm. Dank der lieblichen Äusserung „I’m a sweet boy“ im Refrain bleibt der Song umgehend im Kopf feststecken.
Der wilde Punkrock der Sons gefällt und eckt an. „Hot Friday“ ist manisch und beängstigend, die fantastische Anti-Homophobie-Hymne „L.O.V.E.“ wiederum ist wütend und der brutale Closer „Pixelated Air“ schliesst das Werk episch ab. Das Energielevel ist die ganze Platte über so hoch, dass man sich nur ausmalen kann, was für einen Abriss Sons live veranstalten.
Trotz mehr Reife und Nachdenklichkeit haben Sons nicht das Geringste an Biss verloren. Die Produktion von „Sweet Boy“ ist dreckig und rau, man weiss sich im ungehobelten Sound der vier Belgier aufgehoben und verstanden. Wer sich im ewigen Trott gefangen fühlt, wird mit „Sweet Boy“ den perfekten Soundtrack finden, um im eigenen Kopfkino das Büro des Chefs zu verwüsten und mit ausgestreckten Mittelfingern durch die anzugtragenden Massen zu rennen. Angepisst sein tat selten so gut.