Crispin Glover Records / VÖ: 10. Dezember 2021 / Rock
spidergawd.no
Text: Mischa Castiglioni
Spidergawd sind sich treu geblieben. Nach Album «V» kommt Album «VI». Auch das Cover kommt – wie schon alle bisherigen – aus der Feder von Émile Morel und setzt visuell die Geschichte fort. Genau so ist mit der Musik geblieben. Ein Album für Freunde der sägenden Gitarren, des bolzenden Schlagzeugs, des wummernden Basses, der rauen Bauchstimme, welche in extremis über 2 Oktaven hinausgeht (Normalsterbliche wären nach spätestens 3 Minuten heiser). Und natürlich des unkonventionellen und unverkennbaren Spidergawd-Saxofons.
Erschienen die ersten 5 Alben der Band um Gitarrist Per Borten praktisch im Jahrestakt, musste man aus diversen Gründen fast geschlagene zwei Jahre auf «VI» warten. Einiges hat sich getan: Nachdem auf der letzten Tournee Brynjar Takle Ohr als zweiter Gitarrist mit von der Partie war, ist er fester Bestandteil der Band geworden und integriert, dass er für den Langspieler «VI» am Songwriting mitgewirkt hat. Dass Rolf Martin Snustad nach derselben Tour die Band verlassen hat, machte es gewiss nicht einfach, aber glücklicherweise ist er zur Vernunft und der Band zurückgekehrt. Im Hintergrund röhrt sein Baritonsaxofon noch immer, wenn auch viel subtiler als zuvor. Ich zähle das Saxophon nicht zu meinem favorisierten Instrument (was jedoch eher mit dem Genre zu tun hat, in welchem es vorherrschend ist), aber wenn Spidergawd mir etwas gezeigt haben, dann, dass ein Saxofon richtig was kann. Es funktioniert, es gehört so, es passt. Und ich hätte mir diesmal sogar (wer hätte jemals gedacht) etwas mehr davon gewünscht! Präsenter, dröhnender.
Auch wenn der straighte Rock geblieben ist, es hat sich etwas getan bei Spidergawd. Eine Gitarre ist zu wenig, zwei sind besser. Stark im Vordergrund fetzen die Gitarren parallele Solos über die Saiten, wie – nein – besser als bei den grossen Hard-Rock-Bands der 70er. Im Hintergrund wirbelt sich Kenneth Kapstad die Hände wund, zusammen mit Bassist Hallvard Gaardløs wird ein Fundament gelegt, welches zwar subtiler ist als auch schon, dafür mit vielen Feinheiten in Melodie und Groove, die man erst beim wiederholten Male heraushört. Ohne die Details, die aus dem überwältigenden Zusammenspiel der Rhythmusfraktion entstehen und immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubern, würden die Songs nicht so getragen. Überhaupt, jedes Break, jeder Übergang, jeder Anschlag in den Songs stimmt auf die Millisekunde. Selten eine Band gehört, die so tight und eingespielt daherkommt. Dass sich Spidergawd für Details viel Zeit gelassen haben, ist gut. Das Ergebnis ist verdammt grosses Kino. 38 Minuten Wahnsinn.
Taktwechsel als sei es Prog, manchmal sogar ein scheuer Anflug von Psychedelica. Wunderbare mehrstimmig orchestrierte Chöre in «A Rainbows’ End». «Into the Serene», das überraschend und unvermittelt zur Hymne mutiert und «Prototype Design», ein Song scheppernder Räudigkeit, der plötzlich einen Anflug von Fröhlichkeit verbreitet. Oder instrumentaler, minutenlanger Jam in der zweiten Hälfte von «Morning Star». Zum Glück gibt es auf der ganzen Scherbe keine Ballade. Denn: Balladen können die Norweger nicht – müssen sie auch nicht.
Bei Spidergawd geht es definitiv um Rock’n’Roll. Nicht neu, aber laut, hart, straight und wahnsinnig gut. VI von V!