Eigenveröffentlichung / VÖ: 27. Juli 2024 / Punk
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Text: David Spring
Vor bald 20 Jahren begann ich, im Keller meiner Eltern mit einer billigen Gitarre erste Songs zu schreiben und diese mit einem noch billigeren Vierspur-Rekorder aufzunehmen. Die Resultate waren aus heutiger Sicht unhörbar, doch natürlich war ich stolz wie Bolle. Meine Musikkarriere erübrigte sich zwar wieder, doch die Qualität von zu Hause aufgenommener Musik hat sich seit damals merklich verbessert. Deswegen klingen die meisten Bands heute wohl alle irgendwie gleich. Und darum ist es umso schöner, wenn mal sowas wie die 100€band reinschneit, die auch 2024 tönt, als ob alles auf einem FisherPrice-Kassettenrekorder aufgenommen wurde.
Die 100€band besteht aus Pauline Gosselin aus Frankreich, Sean D’Antoni aus den USA und Manuel Maric aus Deutschland. Sie alle sind in Karlsruhe ansässig, wo sie einem Kunststudium nachgehen und nun als Trio deutsch- und französischsprachige Musik machen. Und wie wir alle wissen, ist Kunst ein weit dehnbarer Begriff. Objektiv betrachtet sind die sechs Songs auf «Selbstgebrannter Demo», so ihre erste Veröffentlichung, nämlich kaum hörbarer als was ich damals in meinem Keller veranstaltete. Bis zur Unkenntlichkeit verzerrte Gitarren, rotzig geschriener Sprechgesang und scheppernde Drums. Für die Produktionsqualität würde sich so manche Black-Metal-Gruppe in den Hintern beissen. Und genau diese wirklich kaum zumutbare Herangehensweise, ganz zu schweigen von der Unverfrorenheit, sowas als offizielle Veröffentlichung rauszuhauen, ist so unglaublich Punk, dass man nur achtungsvoll den Hut ziehen kann.
Lässt man sich von diesem glorreichen Lärm nicht beirren, merkt man nämlich, dass da durchaus mehr dahintersteckt. Der Opener «Liebeskummer» bietet coole Harmonien und Melodien, die wundervoll zum unflätigen Text passen. Der heimliche Hit im Bunde, «Ficken Stark», ist so bizarr und krude wie unverschämt eingängig – und der wahrhaft grossartige Videoclip von Künstlerin Laura Gaiser hebt den Track nochmal auf ein ganz neues, sehr eigenwilliges Level. «Fertige Löwin» wiederum ist eher im Grunge zu Hause, erinnert etwas an Bands wie 24/7 Diva Heaven und wartet zudem mit einem astreinen RATM-Riff im Refrain auf, inklusive quietschender Gitarreneffekte. Das geniale «Schlagzeugerin» liegt humortechnisch irgendwo zwischen KIZ und Lulu & Die Einhornfarm, will heissen: unanständig, sinnfrei und ziemlich amüsant. Und dann ist da noch «Lieblingsarschloch», das die Platte mit französischem Rap, glorreich wütenden Riffs und unglaublich vielen Fluchworten wundervoll abrundet.
Wie mein Vater mir schon damals sagte: «nur weil du etwas gut kannst, bedeutet das nicht, dass du dir keine Mühe geben musst!» Recht hat er, die sechs Songs auf «Selbstgebrannter Demo» haben nämlich alles, was es für waschechte Punk-Hits benötigt. Das Songwriting ist spannend und abwechslungsreich, und gerade die französischen Textpassagen lockern alles enorm auf. Doch meine High-End-verwöhnten Ohren bluten bei all dem Lärm stellenweise trotz aller Liebe zum DIY- und Punk-Spirit ein wenig. Aber draufgeschissen, Punk ist das, was du draus machst und viel mehr Punk kann eine Platte kaum sein. Die 100€band ist so erfrischend rabiat und unflätig, wie schon lange keine mehr. Dafür gibts beide Daumen hoch und einen saftigen Schlag in die Fresse von der Schlagzeugerin, die keine ist. Was anderes haben wir eh nicht verdient!