Hallenstadion – Zürich
Mittwoch, 16. April 2025
Text + Bilder: Rey Schulthess
Am vergangenen Mittwoch machten Twenty One Pilots auf ihrer bisher grössten Headlinertour «The Clancy World Tour» Halt im Zürcher Hallenstadion. Der Name Twenty One Pilots dürfte den meisten spätestens seit dem Erfolg von Songs wie «Ride» oder «Stressed Out» ein Begriff sein. Dabei mag sich die eine oder andere Person schon gefragt haben: «Twenty One Pilots? Da stehen doch nur zwei Typen auf der Bühne, woher kommt die 21?» Tatsächlich ist der Name der US-amerikanischen Band eine Anspielung auf ein Theaterstück von Arthur Miller, in dem durch die lausige Arbeit eines Mannes und den Entscheid, fehlerhafte Flugzeugteile nicht zurückzurufen, sondern trotzdem auszusenden, 21 Piloten ums Leben kommen. Auf eine Art dient der Name also als Mahnung, dass die eigenen Taten und Entscheidungen Auswirkungen auf die Menschen um uns herum haben – und dass man sich dessen bewusst bleiben soll.
Auswirkungen haben die Taten des Duos aus Ohio auf jeden Fall, was sich auch während ihrem insgesamt erst dritten Auftritt in der Schweiz zeigte. Das Hallenstadion war vollgepackt mit Fans, viele davon passend zur visuellen Welt der Band gekleidet, einige sogar mit kleinen Schildern ausgestattet, welcher der Band für ihre Musik danken. Als zwei Minuten vor geplantem Showbeginn die Frage «What’s your ETA? (dt. «Was ist deine voraussichtliche Ankuftszeit?»)» aus der Soundanlage ertönt, schallt es aus der Halle «2 Minutes!» zurück – eine Art Pre-Show-Ritual, welches einen kurzen Ausschnitt des Songs «Midwest Indigo» aufgreift und den Fans signalisiert, dass das Warten bald ein Ende hat. Gewartet hatten manche Fans angeblich sogar schon seit Samstag vor dem Konzert; viele sind auch aus dem Ausland angereist. Die Vorfreude war entsprechend gross.
Und dann ging es auch schon los: Der rote Vorhang, welcher bislang Publikum und Bühne getrennt hatte, fällt. Dahinter kommt Josh Dun am Schlagzeug zum Vorschein, welcher von der ersten Sekunde liefert, was das Zeug hält. Einen kurzen Moment später stösst Sänger (teils auch Bassist, Pianist und Ukulelist) Tyler Joseph mit einem spektakulärem Sprung vom Klavier auf der Bühne dazu und das Konzert nimmt seinen Lauf.
Schnell wird klar, dass ihr Schlusswort «We are Twenty One Pilots, and so are you» mehr als nur eine Floskel ist, denn das Publikum ist tatsächlich fester Bestandteil der Show. So verschwimmen die Grenze zwischen Bühne und Publikum bereits beim zweiten Song «Holding On To You», bei welchem Tyler während der ersten Strophe auf einer kleinen Plattform steht, die von Fans im Publikum getragen wird.
Auch im weiteren Verlauf des Abends gibt es immer wieder Momente, in denen die beiden Musiker die Hauptbühne verlassen und beispielsweise während dem Song «Car Radio» plötzlich in den Rängen auftauchen, bei «Routines In The Night» am Publikum vorbei gehen oder sich auf ihren getrennten B-Stages der hinteren Hälfte der Halle zuwenden um Songs wie «The Line» und «Mulberry Street» zu performen. Bei letzterem erstrahlte die fast ausverkaufte Halle nicht im üblichen weissen Handylicht, sondern in Gelb, Blau und Rosa, passend zum 2021 veröffentlichten Albums «Scaled And Icy». Ein von Fans organisiertes Projekt hatte dafür gesorgt, dass farbiges Papier unter den Zuschauenden verteilt worden war, das dann zum passenden Zeitpunkt vor die Smartphone-Taschenlampen gehalten wurde.
Trotz aller Fan-Interaktion kam auch das musikalische und visuelle Erlebnis nicht zu kurz – Twenty One Pilots lieferten eine Show, die auf allen Ebenen überzeugte. Dabei werden auch geschickt Elemente aus dem fiktiven Kanon der Band, welcher die Geschichte von allegorischen Figuren wie «Clancy» oder «Blurryface» und der fiktiven Stadt «Dema» erzählt, ins Konzerterlebnis eingebunden. Die Setlist bestand aus einer guten Mischung von älteren und neueren Songs, welche teils zu einzigartigen Liveversionen arrangiert wurden.
Zum Schluss begab sich die Band nochmals inmitten ihrer Fans – wortwörtlich. Das Publikum wurde gebeten, einen am Boden gekennzeichneten Kreis freizugeben, in dem dann zwei kleine, mobile -Stages Platz fanden, zu denen die Fans wieder aufschliessen konnten. Wer in der Vergangenheit bereits auf einem Twenty One Pilots Konzert war, wusste genau, was jetzt kommt – die Schlussnummer «Trees» ist nämlich schon seit 2010 fester Bestandteil der Show. Nach einem ruhigen Einstieg in den Song mit Josh am Schlagzeug und Tyler am Keyboard, erheben sich die beiden für die zweite Hälfte des Songs und stehen auf ihren Bühnen über des Köpfen des Publikums, welches zwei Trommeln auf Händen trägt. Der Song und die Stimmung in der Halle erreichen ein euphorisches Hoch, das Duo schlägt auf die Trommeln, Konfetti regnet von der Hallendecke – und dann ist es vorbei. Die Band verbeugt sich ein letztes Mal vor ihrem Publikum und fasst nochmals in Worte, was den ganzen Abend schon zu spüren war: «We are Twenty One Pilots – and so are you.»
